Der Gaulskopf bei Ossendorf
Aus dem Heft:
„Archäologie im Paderborner und Corveyer Land-Schlaglichter auf 6000 Jahre Geschichte“
Herausgegeben von der Volksbank Paderborn-Höxter
Heft Nr. 34 /2003
Werner Best
Der Gaulskopf ist seit etwa 150 Jahren als Wallanlage bekannt. Mit einer Fläche von 7 Hektar zählt er zu den großen frühmittelalterlichen Burgen Ostwestfalens (Abb. 9). Vor allem der mächtige, an der Basis bis zu 10 m breite westliche Wall gehört zu seinen charakteristischen Merkmalen. Aber auch im Osten und Süden sind die Wälle gut erhalten. Nur an der Nordseite verlieren sich die Verschanzungen. Hier haben die steilen Hänge eine aufwändige Befestigung überflüssig gemacht und vielleicht reichte undurchdringliches Buschwerk als Schutz aus. Es war Anton Doms, der 1967 erste Ausgrabungen im Bereich des östlichen Walles unternahm. Er fand ein aus Sandsteinen errichtetes Kammertor aus dem frühen 9.Jahrhundert von 4m Breite und 5,2m Länge sowie einen aus Holz erbauten Vorgängerbau aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, von dem sich sechs große Pfostengruben erhalten haben. Als älteste Bauphase ermittelte er Spuren einer aus Holz und Erde errichteten Mauer des 7. Jahrhunderts. Etwa 24 m weiter südlich fand er ein zweite aus Sandstein errichtetes Tor, das aber nicht gleichzeitig mit dem ersten genutzt wurde.
In den Jahren 1990 bis 1995 führte das Westfälische Museum für Archäologie, Außenstelle Bielefeld, weitere Ausgrabungen an den Wällen und in der Innenfläche durch. Ein Schnitt durch den Südwall zeigte, wie die Umwehrung konstruiert war: An der Basis lagerte ein Paket Bruchsteine, die als Aushub aus dem vorgelagerten, etwa 1,5 m tiefen Graben stammten und als Fundament fungierten. Darüber wurde eine mächtige Schicht aus Erde und Steinen geschüttet. Die Front des Walles stützte mit großer Wahrscheinlichkeit eine senkrechte, hölzerne Wand, die in einem Einsatzgraben verankert war.
Einen zusätzlichen Schutz bildete eine vorgeblendete Trockenmauer. Das Alter der südlichen Holz Erde Mauer ist nur schwer abzuschätzen. In der Wallschüttung fanden sich wenige Scherben von Gefäßen, die in das 7. und 8. Jahrhundert datieren, so dass wahrscheinlich die Mauer gleichzeitig mit der älteren, aus Holz gebauten Toranlage bestand.
In den darauf folgenden Jahren sind etwa 4000 Quadratmeter der Burginnenfläche untersucht worden. Insgesamt gelang die Dokumentation der Spuren von vier Pfosten bzw. Schwellbalkenhäusern. Die Bebauungsspuren weisen den Gaulskopf zumindest als zeitweise besiedelten Stützpunkt aus (Abb. 10).
Das Haus, das die meiste Aufmerksamkeit verdient, war 11,2m lang, an den Giebelwänden 4,4m und in der Mitte 5m breit. Der First wurde von zwei Pfosten getragen. Ungewöhnlich an der Konstruktion ist ein dritter Firstpfosten zwischen dem zweiten Pfostenpaar von Westen. In der Rekonstruktion muss man sich ein einschiffiges Gebäude von 8,5 in Länge verstellen, das im Westen zusätzlich eine kleine Vorhalle von 2,7m Länge aufwies. Die Längsachse des Hauses ist fast exakt Ost West ausgerichtet. In den Pfostengruben der Südwand fanden sich durch Feuer gerötete, senkrecht stehende Verkeilsteine, so dass eine Zerstörung des Hauses durch Feuer angenommen werden kann (Abb. 11).
Neben der nördlichen Wand waren drei völlig bei gabenlose, Ost West gerichtete Bestattungen niedergelegt, deren Schädel post mortem verloren gingen. Anthropologische Untersuchungen lassen erkennen, dass in den Gräbern zwei Männer und möglicherweise eine Frau begraben waren. Einer der Männer erlitt im Kampf durch eine Parierbewegung am rechten Unterarm eine schwere Verletzung. Die ungewöhnliche Bauweise des Hauses und der eindeutige Bezug der Gräber auf das Gebäude legen die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Haus um eine frühe aus Holz errichtete Kapelle handelte. Die auffällige Pfostenanordnung an ihrer Westseite findet Parallelen bei frühmittelalterlichen Kirchen aus Bayern, Franken und dem Rhein Maas Gebiet. Ihre Datierung fällt allerdings schwer, da entsprechend verwertbare Funde aus den Pfostengruben nicht vorlagen. Die Kirche und das begonnene Gräberfeld können auf eine zeitweilige fränkische Besetzung des Gaulskopfes hinweisen. Sollte dies zutreffen, ist mit ihrer Errichtung im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts zu rechnen. Die Spuren ihrer Zerstörung durch Brand sowie das Überbauen der Gräber mit einem neuen Haus weisen auf eine sächsische Rückeroberung der Anlage hin.
Die Nutzungsdauer der Burg wird durch zahlreiche Funde erhellt, die überall verstreut in den Grabungsflächen geborgen wurden. Wie auf einer Burg nicht anders zu erwarten, fanden sich viele Ausrüstungsteile frühmittelalterlicher Krieger. Einfache Schlaufensporen datieren in das 7., ein Nietsporn mit kurzem Stimulus in das 8. und der aufwändig gearbeitete, mit Buntmetall verzierte Nietplattensporn mit langem Stimulus an das Ende des 9. bzw. in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts. Damit ist die Nutzung des Gaulskopfes schon klar umrissen (Abb. 12).
Unter den übrigen Funden sticht ein pyramidenförmiger Zierknopf aus Eisen hervor, dessen vier Seitenflächen mit Buntmetalltauschierungen Silberplattierung versehen sind. Besonders auffällig ist ein Dreiecksmotiv, dessen Spitzen in Kreisen enden. Derartige Zierknöpfe treten oft einzeln oder paarweise in Männergräbern auf, die in das zweite Drittel des 7. Jahrhunderts datieren (Abb. 13).
Nicht weniger aufwändig erscheint ein aus Bronze gegossener Schwertgurtbeschlag, dessen Schauseite mit einem Kreuz verziert ist. Die gesamte Oberseite war mit einer Feuervergoldung überzogen, die sich angesichts der langen Nutzung des Stückes vorwiegend in den Vertiefungen erhalten hat. Vergleichbare Beschläge werden in die Mitte des 9.Jahrhunderts datiert (Abb. 21, 23). Seit kurzem ist ein weitestgehend identisches Gegenstück aus Balhorn bei Paderborn bekannt (vgl. Beitrag Eggenstein/Westphal).
Zu den prächtigsten Fundstücken gehören zweifellos zwei aus purem Gold gearbeitete Fibeln, die der Frauentracht zuzurechnen sind. Leider ist davon eine nur noch als Fragment erhalten und zu einem sechsstrahligen Blütenstern zu ergänzen, dessen Konturen mit feinem Perldraht aus Gold hervorgehoben waren. Die aus Goldblech geformten, zylindrischen Hülsen werden wohl ursprünglich zur Aufnahme von Edelsteinen gedient haben. Ein verwandtes Stück aus Frankreich datiert in das dritte Drittel des 9. Jahrhunderts.
Die Kreuzfibel dagegen ist vollständig erhalten.
Das Zentrum ist durch einen gefalteten Buckel aus Goldblech markiert, die Arme mit brezelartigen Gebilden aus Perldraht verziert. Die Konturen des Kreuzes hat der Künstler mit geflochtenem Golddraht betont (Abb. 14). Kreuzfibeln sind ab dem 7.Jahrhundert im fränkischen Kulturkreis hinlänglich bekannt, aber in der Regel aus Blei, Bronze oder seltener aus Silber hergestellt. Die Fibel vom Gaulskopf stellt wegen ihres Materials bisher ein absolutes Unikum dar und lässt den Reichtum ihrer Trägerin erahnen. Aufgrund stilistischer Merkmale ist sie in das 8. oder 9. Jahrhundert zu datieren.
Der Gaulskopf entstand als Holz Erde Befestigung in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Seine Nutzung bis in das 10. Jahrhundert kann als gesichert gelten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er in den fränkisch sächsischen Kriegen eine wichtige Rolle gespielt. Im frühen 9. Jahrhundert, nach dem Ende der Sachsenkriege 804, wurde die Burg mit einem repräsentativen Tor aus gemörtelten Sandsteinen versehen. In diese und die nachfolgende Zeit fallen die Datierungen der prächtigsten Funde, was einen Wandel von der reinen Grenzbefestigung zu einem frühen Herrensitz anzeigen kann. Warum der Gaulskopf letztendlich von seinen Bewohnern verlassen wurde, bleibt unklar. Vielleicht hängt es mit der Gründung einer neuen Burg im Bereich der Wüstung Aslan zusammen, die sich zu seinen Füßen im Diemeltal befindet.
Literatur:
Best, W.: Die Ausgrabungen in der mittelalterlichen Wallburg
Gaulskopf bei Warburg Ossendorf , Kr. Höxter. Vorbericht.
Mit einem Beitrag von H. Löwen, Germania 75/1, 1997 S.
159 192.
Autor:
Dr. Werner Best
Westf. Amt für Archäologie – Amt für Bodendenkmalpflege
Außenstelle Bielefeld
Kurze Straße 36
33163 Bielefeld