Ossendorf im 7-jährigen Krieg

Wie bereits im 30-jährigen Krieg litt Ossendorf auch im 7-jährigen Krieg (1756-1763) sehr unter den Kriegsereignissen. 1757 quartierten sich die Franzosen im Dorf ein. Die Pocken forderten 82 Menschenleben. Die Ernte wurde größtenteils von den französischen Truppen geplündert. 1758 lag das Bataillon Behr in Ossendorf im Winterquartier.

Das Jahr 1758 brachte wiederum große Durchmärsche. Die Felder wurden abermals geplündert und die Dorfbevölkerung drangsaliert. Das Hochstift führte in dieser Zeit die „Rauchsteuer“ für jeden Schornstein ein.

Die Jahre 1760 und 1761 brachten dann den Höhepunkt im Leiden der Dorfbevölkerung. Im Juni 1760 hielten sich die Alliierten und die Franzosen in den hessischen und waldeckischen Bergen auf. Am 28. Juli 1760 kam der französische General Fischer mit seinen Husaren durch Ossendorf. Das Lager befand sich im Papenheimer Feld. Über die Diemel bei Ossendorf baute man eine Brücke über die der französische General du Muv mit 30.000 Mann zog und von Ossendorf bis zum Desenberg sein Lager aufschlug.

Am 31. Juli 1760 kam es zur „Schlacht am Heinberg“. Das alliierte Korps setzte sich in Marsch auf Ossendorf. Nun wurde Ossendorf zum Ausgangspunkt der Schlacht. Die Franzosen kanonierten das Dorf. Die Bewohner flüchteten über die Diemel in den Asseler Wald. Die englischen Bataillone führten die ersten Angriffe. Die französische Armee hielt unter großen Verlusten den Rabensberg, mußte jedoch im Laufe der Schlacht den Rückzug über die Diemel antreten. Die Alliierten besetzten den Heinberg und machten 1000 Gefangene und erbeuteten 12 Kanonen. Es gab auf beiden Seiten 3000 Tote und Verwundete.

Im Sterberegister von Ossendorf waren auch einige Franzosen verzeichnet. Infolge der Kriegsauswirkungen brach eine große Seuche aus, an der 1761 in Ossendorf 110 Menschen starben. Eine große Hungersnot war im Dorf.

Im September 1761 lagerte der Erbprinz von Braunschweig um Ossendorf. Dieser zog mit seinen Truppen über die Diemel und ließ in Ossendorf zur Sicherung eine Feldwache zurück. Diese war auf der „Franzosen-Schanze“ am Bollaes (232 m über NN).

Erst als am 23.Februar 1763 der langersehnte Frieden geschlossen wurde, war das Leiden der Dorfbevölkerung von Ossendorf zu Ende.

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Der Siebenjährige Krieg in unserer Heimat:
Franzosenzeit!

Wenn wir an sie denken, so treten uns meistens die Jahre 1806-1813 in die Erinnerung. Es hat aber noch andere Franzosenzeiten für unsere Heimat gegeben, die aus dem Bewußtsein der großen Volksmasse allmählich geschwunden sind. Zu diesen üblen Zeiten gehört für uns Westfalen der Siebenjährige Krieg, der mit dem Einrücken Friedrichs d. Gr. in Sachsen im Jahre 1756 entbrannte. War unsere Gegend in jener Zeit nur ein sog. Nebenkriegsschauplatz, so ist über sie doch eine Fülle von Not und Leid hereingebrochen. Wir waren in jenem Kampfe Friedrichs mit seiner großen Gegnerin Maria-Theresia zwar neutral, was jedoch keine Partei verhinderte, gründlich zuzufassen, so daß das arme Volk den Becher des Leidens bis zur Neige, bis zur großen Hungersnot und völligen Erschöpfung leeren mußte.
Nachfolgend soll versucht werden, die Ereignisse der Kriegszeit für unsere engere Heimat aus dem Gesamtverlaufe auf dem westlichen Kriegsschauplatze herauszuschälen. Wer weitere Einzelheiten wünscht, sei auf „Die Beiträge zur Geschichte von Corvey und Höxter“, im Verlage von F. J. Cors, Höxter, auf die Geschichte von Brakel, auf Band 69 und 70 der Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Westfalens und auf das handschriftliche Tagebuch des Leutnants Cleve in der Bisch. akademischen Bibliothek Paderborn verwiesen.
Der Einfall des Preußenkönigs in Sachsen rief im Jahre 1757 die Franzosen nach Westfalen. Sie drangen durch das Fürstbistum Münster in die Paderborner Gegend. Ihnen gegenüber stand auf der Seite Friedrichs als Führer der vereinigten Hannoveraner, Engländer, Hessen und Braunschweiger der Herzog von Cumberland, der Anfang Mai seine gesamte Armee über die Weser nach Bielefeld führte und dort ein Lager bezog. Von hier aus sandte er große und kleine Abteilungen in das Paderborner Land, die alle erreichbaren Kornvorräte fortführten. Darüber berichtet das Beverunger Stadtbuch: „Zu gedenken, daß in anno 1757 d. 1. May die Hannoveraner, Braunschweiger etc.
in hiesiges Hochstift über Hameln auf Paderborn gezogen, von Klaus Edesen die Fuhrleute zurückberufen, weil ein Befehl von Paderborn um hiesiges Heuerkorn eiligst nach Paderborn in Sicherheit gebracht werden sollte, wo dann weder sack noch Korn wieder bekommen“. (Am Himmelfahrtstage zog General Zastrov im Anschluß an die abgehaltene Prozession durch das geöffnete Neuhäuser Tor in Paderborn ein.)
Was die verbündeten Truppen übriggelassen hatten, nahmen die Franzosen unter dem Marschall d‘ Etrees. Dieser beschäftigte und täuschte den Cumberländer vor Bielefeld, zog mit seiner Hauptmacht über Paderborn ostwärts zur Weser auf Höxter und Beverungen zu, um den Fluß zu überschreiten und in den Rücken des Gegners zu kommen. ‚Darauf die Franzosen mit einer großen Armee und noch einer kleinen Armee in hiesiges Hochstift; und die kleine Armee hier in Beverungen zu 20 Mann, 50-120 Mann in ein Haus und die übrigen vorm untern Thore bis hinter der Blankenow sich gelagert, das Korn abgemäht, fouragiret, Heckenzäune, Planken, Pforten, Türen, alles weggemacht; drei Tagen zwei Brücken über die Weser, im Blankenowschen Kamp eine holtzerne Schiffbrücke; und darnach drei Tagen abgebrochen und nach Hameln transportiert auf der Weser; die große Armee bei Höxter und Corvey auch nach Hameln, da sie unterwegen alles auffouragirt, haben sie sich endlich bei Hameln zur Belagerung angeschickt.“ Bev. St. B. In und um Höxter lagerte Marschall d‘ Etrees, er ließ bei der Tonenburg und in der Nähe von Höxter zwei Brücken über die Weser schlagen. Für die Infanterie wurden drei Schiffsbrücken gebaut. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen, vollzog sich der Übergang, bei dem die Kavallerie die Furten von Lüchtringen und Stahle benutzte. Der Vormarsch ging über Holzminden, Stadtoldendorf auf Hameln zu. So bedrohten die Franzosen die rückwärtigen Verbindungen des Herzogs von Cumberland, dem nichts andres übrig blieb, als seine Stellung bei Bielefeld zu verlassen und ebenfalls über die Weser zu gehen. Bei dem Dorfe Hastenbeck kam es am 26. Juli zur Schlacht, in der die Verbündeten geschlagen wurden. Durch die weiteren Fortschritte der Franzosen wurde der Cumberländer bewogen, einen Antrag auf Waffenstillstand und Neutralität zu stellen. Infolgedessen wurde am 8. September die Übereinkunft vom Kloster Zeven geschlossen. Später wurden Verhandlungen geführt, durch die die Braunschweiger Truppen zu dem Reichskontingent übergehen sollten.
In dieser Situation setzt Wilhelm Raabes Roman „Hastenbeck“ ein, der uns die Schicksale des Fürstenberger Blumenmalers Pold, eines Flüchtlings aus dem Braunschweiger Heere, und des Bienchens von Boffzen vor Augen führt. Menschen und Zeitverhältnisse zeichnet der feinsinnige Künstler. Die alte Wackerhahnsche, die Hexe vom Boffzer Landwehrturm, führt die Liebenden auf ihrer Flucht vor den Franzosen über Derenthal durch den Solling auf nächtlichen Pfaden zum neutralen Hofe des Herzogs von Braunschweig in Blankenburg.
Da der König von England die Ratifikation der Zevener Konvention verweigerte, wurde der Oberbefehl über die verbündeten Truppen im November dem Herzog Ferdinand von Braunschweig-Bevern übertragen. Dieser zwang die durch Seuchen geschwächten Franzosen zu einem fluchtartigen Rückzuge. Im Anfange des folgenden Jahres wälzten sich große Teile des fliehenden und verfolgenden Heeres durch unsere Heimat. „Anno 1758 kommen die Franzosen wieder, worauf die hannoverschen Jäger (nach) hier kamen, und haben die Beverunger gleich müssen zahlen 2000 Thaler, essen und trinken, Wein die Menge, darauf die Franzosen wiedergekommen, den ganzen Winter hindurch durchs ganze Stift starke Einquartierung, welches dann nebst vielem Geldpressen der Gemeinheit unerbringlichen Schaden gebracht hat.“
Während Herzog Ferdinand die Franzosen über den Rhein trieb und bei Krefeld schlug, sammelte sich in Hessen ein zweites französisches Heer unter Soubise, das dieser gegen Hannover über Warburg in Bewegung setzte. Daher zog sich der Herzog Ferdinand wieder nach Westfalen und bedrohte durch eine abgeschickte Abteilung die Rückzugslinie der Franzosen.
Wenn es auch nicht zu großen Kampfhandlungen kam, so hatte unsere Gegend doch schwer unter der Einquartierung, die den ganzen folgenden Winter hindurch dauerte, zu leiden. Befestigungsarbeiten und Kriegsfuhren mußten geleistet werden. Die Pferde wurden den Bauern fortgenommen und unterwegs totgetrieben. Brot und Fleisch mußte geliefert werden. Der Pferdemangel hinderte den Landmann an der Bestellung des Ackers.
Die Franzosen waren aus Westfalen an den Niederrhein und Main in die Winterquartiere gezogen. Zur Sicherung gegen sie zog der General Gilsa einen Kordon gegen das Hessenland in der Diemelgegend. Dahinter lagerten des Herzogs Truppen in den Dörfern und Städten. Am 1. Dezember erhielten Beverungen 250 Hessen vom Regiment des Prinzen Anhalt, Dalhausen 121, Rothe 95, Tietelsen 105, Brakel 900, Hembsen 100 usw. Mann Einquartierung. S. Anhang II zu Stoffers „Das Hochstift Paderborn z. Z. des siebenjährigen Krieges“. Zeitschrift für Geschichte und Altertum 70. Band. Anfangs 1759 zog Herzog Ferdinand ins Hessenland auf Frankfurt a. M. zu. Diese Stadt hatten die Franzosen eingenommen, um sie als Stützpunkt gegen die Alliierten zu verwenden. Es kam bei Bergen in der Nähe von Frankfurt im April zu einem bedeutenden Kampfe, in dem die Franzosen die Oberhand behielten. Herzog Ferdinand mußte sich daher zurückziehen. Gleichzeitig rückten auch die Franzosen vom Niederrhein aus in Westfalen ein, geführt von d’Armentiers. Beide Armeen drückten zusammenwirkend die Alliierten nach Norden zurück. Am 1. August kam es bei Minden zur Schlacht, in der Herzog Ferdinand siegte. Die Franzosen mußten eiligst den Rückmarsch antreten, verfolgt von den vereinigten Engländern, Hannoveranern, Braunschweigern und Hessen. Der Hauptzug ging über Paderborn, Marsberg auf Kassel zu, das zum Sammelpunkt der geschlagenen Armee ausersehen war. Ein Teil zog die Weser aufwärts, flüchtend vor den gefürchteten schwarzen Husaren des Grafen Luckner. „Darauf 1759 unter Regierung des Bürgermeisters Joan C. Larentz und Kemmerer Trowen viele fuhren nach Warburg, Giesen, Brandenburgisch-Minden, Paderborn, Cassel nebst ohnzahlbaren ordinons-pferden ins groseste Elend gesetzet; wie endlich die Franzosen die batalie bei brandenburgisch Minden verloren und des Obrist Lucknersche Husaren nebst ihrer Durchlaucht des Erbprinzen von Braunschweig mit 15000 Mann sich oben Wirgesen Lagerte, so sind die Husaren nach Beverungen gesandt und Bürgermeister Joan C. Larentz, Bürgermeister Weyrather, Caspar Jos. Larentz und Grasso als Geiseln mitgenommen nach Herstelle nach Kemperfeld desnächst bewachet, des Morgens für Tage nach Borgentreich gehen müssen, wo dann Weyrather und Grasso beurlaubte, die beiden anderen Geiseln aber nach Herlinghausen, von dar wieder nach Warburg und von dar auf Maria Himmelfahrt nach Volkmissen, allwo dem Obrist Luckner 2000 Thaler gezahlt und also wieder frei passieren können. Darauf diese alliierte wieder ins Hochstift den Winter quartier bezogen.“ – „Obige 2000 Thaler sind auf Befehl seiner Durchlaucht des Herzogs Ferd. v. Braunschweig von dem Obristen Luckner wieder im Winter 1759 und zwar im Hauptquartier zu Paderborn an den Herrn Bürgermeister J. C. Larentz abbezahlt worden, welche sodann an das Hochstift auf Befehl des Herrn Canzlers v. Lehmann gegen 5% Zinsen jährlich abgeliefert werden mußten und bereits langsam wieder abbezahlt worden“.
Das ganze Stift Paderborn hatte unter den Quartierlasten im Winter 59/60 viel zu leiden. Es war eine Sicherungslinie von Burgsteinfurt über Lippspringe bis Karlshafen gezogen.
Im folgenden Frühjahr nahm Herzog Ferdinand die Operationen gegen die Franzosen wieder auf. Er führte seine Truppen nach Hessen gegen die Stadt Fritzlar. Auch in diesem Jahre wurde er zum Rückzug gezwungen. Den General Kielmannsegge ließ er in und um Kassel, während er gegen Warburg zog. Im Waldeckerlande kam es im Juli zu zwei Gefechten bei Corbach und Arsendorf, wodurch die Alliierten wieder an die Diemel geworfen wurden. Nördlich des Flusses setzte sich die Hauptarmee und trat den Franzosen zwischen Warburg und Ossendorf zum blutigen Kampfe entgegen. Ferdinand warf den Gegner auf und über die Diemel, nahm ihm 4000 Gefangene ab und trieb ihn ins Hessenland zurück. Er selbst bezog eine abwartende Stellung in dem Lager zwischen Manrode und Bühne und sicherte sich stark an der Diemel. Sicherheitshalber hatte er zwischen Beverungen und Herstelle zwei Brücken über die Weser geschlagen, die stark bewacht wurden. Die Franzosen gaben ihre Absicht, ins Paderborner Land einzudringen, nicht auf und versuchten die Pässe bei Marsberg in ihre Hand zu bekommen. Die Wachsamkeit der Alliierten verhinderte das jedoch.
Am Tage des Kampfes bei Warburg hatten die Franzosen auch den General Kielmannsegge bei Kassel angegriffen und ihn auf Münden zurückgeworfen. Von hier zog er nach Beverungen, wo er sich im Wesertale lagerte. Darüber besagt eine Notiz im Pfarrarchiv: “ 1760 lagerte zweimal ein Heer der Verbündeten an 10000 Mann unter General Kielmannseck einige Tage bei Beverungen. 1000 Wagen standen auf dem Hakel; es ist viel Schaden angerichtet. Das Lager war im Niederfelde jenseits der Weser gegenüber dem Mönchswerder. Es war anscheinend eine Brücke hier über die Weser geschlagen. Am Getreide wurde viel Schaden angerichtet, besonders an den Gärten, so daß man die Stätten gar nicht mehr erkannte, wo einst die Gärten gelegen hatten.“
Das Gros des alliierten Heeres blieb bis fast zum Winter bei Bühne. Über den Zustand der Gegend schreibt Leutnant Cleve in seinem Tagebuche: „Unsere Armee fouragirte aus dem Felde, und da eben die Ernte war, und dieses die vorzüglichste Gegend im Paderbornischen, so hatten wir Ueberfluß. Wir hätten noch eine lange Zeit hiervon Subsistieren können, wenn wir ökonomischer mit der Fouragirung verfahren wären. In Holzminden war unsere Bäckerei und wurde das Brod nach Brakel gefahren, von da es die Armee abholte.“ Das Elend und die Armut in dem Paderbornischen wird wegen der Fouragierung unbeschreiblich groß; alle in unserer Armee liegenden Dörfer sind ein Raub unserer Madodeurs geworden, so harte Befehle auch zur Steuerung dieser Bosheit aus dem Haupt-Quartier gegeben wurden.“
Der französische General Stainvilles stieß gegen Halberstadt vor. Das veranlaßte Herzog Ferdinand zu einer Konzentration seiner Armee bei Beverungen. Später stieß er über die Weser und belagerte Göttingen, das von den Franzosen besetzt war, konnte es aber nicht erobern.
Er selbst hatte am 12. November sein Hauptquartier in Lemförde (Lauenförde). Von hier verlegte er es nach Uslar. Ein großer Teil seiner Truppen begleitete ihn und bezog in der Umgebung Winterquartiere. Der Herzog blieb in Uslar. Die übrige Armee quartierte sich in der Warburger Börde ein. Auf dem Desenberg wurde ein Fanal errichtet. Wenn es angezündet wurde und 4 Kanonenschläge erschallen, hatte die Armee sich hinter der Diemel zu sammeln.
Die Schwerkranken wurden von Uslar nach Beverungen und von hier auf der Weser abwärts nach Minden gebracht.
Der Mylord Gramby nahm sein Quartier zu Höxter und legte verschiedene englische Cavallerie-Regt. ins Corveysche. Gilsas Regimenter lagen an der Weser.
Die Franzosen lagerten mit einer Armee in Hessen und mit einer zweiten am Niederrhein.
Die Winterruhe dauerte nicht lange. Anfang Februar brach Herzog Ferdinand von Uslar auf, zog mit seinen Truppen über die Weser nach Hessen hinein. Das Kriegsgewitter entfernte sich aus unserer Heimat. Doch der kommende Frühling brachte es uns wieder bedenklich nahe. Ferdinand hatte sich in die Diemelgegend zurückziehen müssen. Im April und Mai waren wieder die meisten Orte unseres Heimatkreises von Herstelle bis Falkenhagen im Lippschen von den verbündeten Truppen besetzt. Die französischen Heere in Hessen und am Niederrhein rückten im Juni 1761 nach Westfalen vor. Broglio warf den General von Spörken von der Diemel zurück und Soubise entgegen und stand zwischen beiden Heeren, deren Vereinigung er nicht hindern konnte. Er schlug sie am 16. und 17. Juli bei Vellinghausen in der Gegend von Soest.
Jetzt aber ballte sich das Kriegsgewitter über dem Kreise Höxter zusammen; denn Broglio war mit seinem Heere über Paderborn in die Gegend von Driburg, Nieheim, Steinheim und Brakel gezogen. Herzog Ferdinand aber war durch den Teutoburger Wald ins Lippische bei Horn gegangen und verlegte den Franzosen den Weg nach Hameln. Wie er sie auf Höxter zurückdrängte, ist ausführlich im III. Heimatbuch des Kreises Höxter S. 110 usw. beschrieben.
Die Hauptarmee des Feindes war schon über die Weser gegangen und lagerte zwischen Holzminden und Lüchtringen. Eine kleinere Armee deckte ihre linke Flanke. Sie zog sich über Boffzen bis Fürstenberg. Auch Beverungen war noch von 7000 Franzosen besetzt. Höxter lag noch voll Franzosen, als die verbündeten Truppen auf den linken Weserhöhen erschienen. Zwischen Corvey, Höxter und Boffzen waren zwei Schiffsbrücken über den Strom geschlagen, die beschossen wurden.
Herzog Ferdinand stand mit seiner Armee von der Tonenburg bis zum Brunsberge. Sein Hauptquartier war in Fürstenau. Höxter sollte am 21. August in Brand geschossen werden. Der Abzug der Franzosen rettete die Stadt.
Der Leutnant Cleve, der die Ereignisse im Heimatbuch schilderte, mag auch hier den Fortgang erzählen.
„22. 8. Des Morgens brach das feindliche Corps bei Fürstenberg auf. Die große feindliche Armee war gestern schon aufgebrochen und war auf Adelepsen marschiert. Um 10 Uhr wurde das bei Fürstenberg gestandene Corps, so im Abmarsche begriffen war, teils von Höxter, teils von Corvey von uns kanoniert. Es zog sich der Feind in den Solling. Den Nachmittag legten wir zwischen Höxter und Corvey eine Pontonbrücke an. 23. 8. mußten die 2 englischen Grenadier-Batt., die 2 schottischen Batt. incl. die 3 braunschweigischen, das Rgt. von Elliot nebst einigen schweren Kanonen bei der Schiffbrücke stehen, die Zelte und alles im Lager blieb stehen. Wir marschierten über die Weser. In der Tete blieb ein engl. Gr. Bat. Wir marschierten bis Fürstenberg. Der Herzog Ferdinand ging aber mit dem Piquet dieser Corps, dem Bat. von Koppelow, 1 engl. Gr. Bat. und einen schottischen weiter auf Neuhaus und Nienover, um die neue Position des Feindes zu entdecken, so man dann bei Dassel ein Lager von ihm antraf und Hoffnung schöpfte, daß der Feind nicht in unsere Länder gehen, sondern sich gegen das Hessische zurückziehen werde. Das ganze Corps ging des Abends über die Weser und in das Lager zurück.
24. 8. mußten wir gegen Mittag aufbrechen. Unser Corps unter G. L. Mylord Gramby mußte die Avantgarde machen Es bestand . . . aus 11 Bat. und 12 Eskadronen. Wir marschierten über Galen (Godelheim) Drencke und schlugen diesseits Borgholtzen unser Lager auf, usw.“
Die folgende Darstellung ist dem Tagebuche des genannten Leutnants inhaltlich entnommen.
Broglio war mit seiner Armee über die Weser in und hinter den Solling gezogen. Er hatte seine Hauptkräfte von Adelepsen nach Einbeck geleitet und stand nun in nordsüdlicher Richtung im Solling und Reinhardswald, die Front zur Weser, jedoch drohend zum Einmarsch nach Norden und Nordosten in die hannoverschen und braunschweigschen Lande. Auf westfälischer Seite befanden sich die Verbündeten und hielten mit starken Kräften das linke Ufer der Weser besetzt von Polle bis Karlshafen. Der Strom und die untere Diemel bildeten die Grenzscheide zwischen beiden Heeren.
Ferdinand von Braunschweig glaubte die Franzosen am besten dadurch von seinem Heimatlande abzuhalten, daß er ihre südlichen Verbindungslinien in Hessen bedrohte und setzte sich daher nach dieser Richtung in Marsch, wie wir sahen. Er zog über die Diemel nach Hessen, sicherte aber stark die Weserlinie, indem er bei Polle das Corps Wutgenau und bei Höxter große Truppenmassen unter von Spörken und von Wangenheim stehen ließ. Den Prinzen von Anhalt schickte er mit seinen Hessen auf die Höhen bei Herstelle.
Die Absicht des Herzogs wurde jedoch durch die große Truppenmacht der Franzosen vereitelt. Wohl sandte Broglio starke Kräfte nach dem bedrohten Hessen. Er ließ sich jedoch aus seiner vortrefflichen Stellung bei Einbeck nicht herauslocken, sondern schickte eine Abteilung in nordöstlicher Richtung vor. Das veranlaßte den Herzog zunächst, die Abteilungen von Mannsberg und von Veltheim mit 4 Bat. und 4 Eskadronen über die Weser nach Neuhaus im Solling auszusenden. Diesen ist es jedoch dort übel ergangen. Sie wurden geschlagen, viele von ihnen gefangen, und der Rest mußte sich flüchtend nach Fürstenberg zurückziehen. Verstärkungen wurden unter von Hardenberg nach Herstelle und von Wutgenau nach Beverungen gesandt.
Die Franzosen wurden angriffslustiger, setzten am 20. 9. südlich Höxter über die Weser und machten Streifzüge ins Westfälische. Das führte zu mancherlei kleinen Plänkeleien. Am 23. 9. griffen sie Höxter und Stahle gleichzeitig an. Ein französisches Corps hatte Fürstenberg besetzt. Bei Beverungen kam es am 23., 24. und 25. September zu Kämpfen, die den Uebergang über die Weser erzwingen sollten. Das Corps Wallgrave hinderte sie jedoch am Erfolge. Was ihnen jetzt mißlang, glückte jedoch am 10. Oktober. Der Franzose Wapeau kam durch die Weser und überfiel mit starken Kräften das Städtchen Borgholz, wo die Jäger-Brigaden Bülows und Friedrichs standen. 400 Infanteristen fielen dem Gegner nebst 2 Kanonen in die Hände. Nur die Kavallerie rettete sich nach Borgentreich.
Inzwischen hatte Herzog Ferdinand das Nutzlose seines Beginnens erkannt. Der Franzose nahm Wolfenbüttel und bedrohte Braunschweig. Daher verließ der Herzog Hessen und zog mit dem größten Teile seiner Armee wieder durch den Kreis Höxter auf Hameln zu. Er schlug am 12. Oktober bei Brakel sein Lager auf und wohnte auf der Hinnenburg. Mylord Gramby deckte ihn mit seinem Corps. Er marschierte am gleichen Tage auf den Höhen von Drenke auf und stand dort den Franzosen gegenüber, die bei Derenthal ein Lager aufgeschlagen hatten. Das nächste Marschziel der Verbündeten war Marienmünster. Der Zug ging über Ottenstein nach der Gegend von Hameln. In Ohr nahm Ferdinand sein Hauptquartier. Hier lag er einige Tage krank, was den Fortgang der Operation hinderte. Der November sah ihn jedoch wiederhergestellt. Der Herzog überschritt die Weser und bedrohte so die rechte Flanke des Feindes.
Wer das Ringen um die Oberhand in dieser Situation kennen lernen will, lese von Wilhelm Raabe „Das Odfeld“. Hier findet man von Künstlerhand die Kämpfe beschrieben, die Zeiten und Menschen gezeichnet, Freund und Feind anschaulich dargestellt, köstlichen Humor und bittere Wahrheit.
Ferdinand blieb Sieger. Die Franzosen wurden nach Südosten abgedrängt. Damit war das für unsere Heimat so verhängnisvolle Kriegsjahr 1761 seinem Ende zugegangen. Freund und Feind rückte in die Winterquartiere. Durch den Kreis Höxter wurde über Driburg, Brakel, Höxter ein Cordon gezogen, den der General Leutnant von Kielmannsegge kommandierte. Er bestand aus Jägern, Husaren und Infanterie. Die Sicherungslinie ging weiter über Holzminden nach Einbeck. Die Leute wurden monatlich abgelöst.
Auch das Jahr 1762 brachte unserer Heimat viele neue Kriegsdrangsale. Die Einquartierungen und Durchzüge hatten auch die letzten Reste Lebensmittel aufgezehrt. Die Not wuchs riesengroß. Die Preise stiegen ins Unermeßliche. Und immer war dem Kriege noch kein Ende abzusehen. In der ersten Hälfte dieses Jahres schwang der Krieg noch unerbittlich seine Geißel über dem hartbedrängten Corveyer und Paderborner Lande. Im Juni versammelte sich das Heer der Verbündeten bei Brakel. Was der Sommer an Früchten bescheren wollte, fiel der räuberischen Soldateska zum Opfer. Doch es nahte endlich die Erlösung. Herzog Ferdinand beschloß den Feind in Hessen anzugreifen. Er hatte im Juni sein Quartier in Corvey, um es von dort nach Borgholz zu verlegen. Wiederum wurde die Diemel überschritten, und die Kriegswolken zogen nach Süden. Im Höxterlande blieben nur schwache Kräfte und der Nachschub. Die Franzosen zogen sich nach mancherlei verlustreichen Gefechten auf Frankfurt a. M. zu. Kleinere feindliche Abteilungen stießen unter den Generalen Rochehuart und Estange auf Höxter zu. Sie wurden zurückgeschlagen und verbrannten bei Beverungen einige Schiffe mit Lebensmitteln. Auch Brakel wurde Ende Juli von ihnen überfallen, von wo sie General Waldhausen vertrieb.
Ende des Jahres eroberte Herzog Ferdinand Kassel, das sich ihm am 1. November übergab. Es war die letzte Waffentat auf diesem Kriegsschauplatz. Am 15. November wurde zwischen England und Frankreich der Waffenstillstand abgeschlossen. Der Krieg war hier zu Ende, und beide Armeen zogen ab. Nicht lange danach ruhten auch auf den anderen Kriegsschauplätzen die Waffen. Der Hubertusburger Friede, Februar 1763, endete den Krieg, der unserer Heimat unersetzlichen Schaden bereitet hatte.
Wiegand schreibt in seinen „Denkwürdigen Beiträgen usw.“ folgenden „Generalbestand, was hochfürstliches Stift Corvey, die Stadt Höxter und das gesamte Land für gelieferte Fourage, Schade usw. an die Krone Frankreich vom letzten Kriege zu fordern hat.
1. Das Stift für gesch. Fouragierung 1757 19167 Taler
2. Für gel. 300 Klafter Brennholz 1125 Taler
3. Für Bier und Branntwein 560 Taler
4. Für Befestigungswerke zu Demolieren 1250 Taler
5. Für Schaden in Forst Blankenau 667 Taler
6. Für Schaden in Forst Albaxen 1000 Taler
7. Für Schaden in Forst Bödexen 242 Taler 18 Mgr.
8. Für Schaden in Forst Ovenhausen 100 Taler
9. Für Schaden in Forst Stahle 137 Taler
10. Für Ruinierung der Plantage 2250 Taler
11. Für gefischte u. verdorbene Teiche 2237 Taler 18 Mgr.
12. Für totale Fouragierung der Stadt Höxter 75410 Taler
13. Desgl. dem Krüger Zimmermann 1148 Taler
14. Desgl. dem Conduktor zu Tonenburg 2991 Taler
15. Desgl. dem Conduktor zu Blankenau 3255 Taler
16. Desgl. dem Conduktor zu Fürstenau 1335 Taler
17. Desgl. dem Kloster Brenkhausen 1765 Taler 18 Mgr.
18. Desgl. dem Dorfe Bosseborn 518 Taler
19. Desgl. dem Dorfe Wehrden 797 Taler
20. Desgl. dem Dorfe Godelheim 2620 Taler
21. Desgl. dem Dorfe Amelunxen 1416 Taler
22. Desgl. dem Dorfe Ottbergen 886 Taler
23. Desgl. dem Dorfe Bruchhausen 971 Taler
24. Desgl. dem Dorfe Drenke 523 Taler
25. Desgl. dem Dorfe Bödexen 662 Taler
26. Desgl. dem Dorfe Lüttmarsen 1730 Taler
27. Desgl. dem Dorfe Ofenhausen 2168 Taler
28. Desgl. dem Dorfe Stahle 4512 Taler
29. Desgl. dem Dorfe Albaxen 6077 Taler
30. Desgl. dem Dorfe Lüchtringen 19555 Taler
31. Desgl. dem Dorfe Jakobsberg 80 Taler
32. Für verdorbene Wagen u. Pferde 4510 Taler
33. dergleichen 1500 Taler
34. Für Lieferung für Rückzug von Hannover 5500 Taler
35. Einrichtung von Magazinen 1500 Taler
36. Für gel. Fourage laut Contrakt 21111 Taler 4 Mgr.
37. Für gel. Fourage laut Contrakt 1758 1136 Taler 24 Mgr.
38. Laut Rechnung 11859 Taler 31 Mgr.
39. Für Fouragierung 1760/61 127549 Taler 121/2
40. Für Lieferung 1761 4750 Taler
Summe 338172 Taler 17 1/2
Das ist die Rechnung für die Franzosen. Wie hoch mag sie sich für die Verbündeten belaufen haben? Sicherlich war sie nicht geringer. Das kleine Corveyerland mit seinen damaligen 8000-9000 Einwohnern hatte fast 3/4 Millionen Taler verloren. Wir können mit Wilhelm Raabe rufen: „Wehe, Niedersachsen!“ Doppelt einstimmen in den Ruf konnte das ausgeplünderte Paderborner Fürstentum mit seiner Schadenrechnung von fast 7 1/2 Millionen Talern, von denen ungefähr 2 1/2 Millionen auf Rechnung der Franzosen und 5 000 000 auf das Konto der Verbündeten fielen.
E. Lange
Der Text wurde der Heimatbeilage „Dreizehnlinden“ vom Jahr 1930 entnommen
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